Der Fall Silicon Valley Bank: Was ist passiert?

Der Fall Silicon Valley Bank: Was ist passiert?

Lesedauer: 5 Minuten

Diese Telefonkonferenz fand am Freitag, den 10. März 2023 statt – nur wenige Stunden nach Bekanntgabe der Schließung der SVB.

Am 10. März brach die Silicon Valley Bank (SVB) zusammen und wurde von den US-Aufsichtsbehörden übernommen. Nach einer Kapitalkrise und einem „klassischen” Bankrun erfolgte der vollständige Zusammenbruch der SVB innerhalb von nur 48 Stunden. Um unseren Kunden zu diesem Ereignis kurzfristig eine fundierte Expertenmeinung zu vermitteln, organisierte Jackie Murphy von GLG noch am selben Tag eine Telefonkonferenz mit Stephen Curry, GLG Netzwerkmitglied und ehemaliger CEO der Gateway First Bank. Im Folgenden finden Sie die wesentlichen Aussagen dieser Telefonkonferenz:

Was genau ist in den letzten 24 Stunden passiert ist und wo stehen wir jetzt?

Die Aufsichtsbehörden mussten schnell handeln, um zu verhindern, dass sich die Situation noch weiter verschlechtert. Sie hätten diesen Schritt nicht unternommen, wenn die Bank über ausreichendes Kapital oder ausreichende Liquidität verfügt hätte. Daran können Sie erkennen, dass in der Bilanz ein erhebliches Loch klaffen muss, das wir aktuell nicht quantifizieren können. In einer Situation wie dieser beschleunigen sich Einlagentransfers manchmal sehr schnell, und es dauert eine Weile, bis sie alle bearbeitet werden können. Ich habe vergleichbare Situationen gesehen und bin mir sicher, dass das Management und vielleicht auch die Aufsichtsbehörden von dem Ausmaß überrascht waren. Entsprechend schnell wollten sie reagieren.

Es gilt, in einem solchen Fall die mögliche Ansteckung der gesamten Branche abzuwenden. Das systemische Risiko muss so weit wie möglich minimiert werden. Deshalb wurde die Bank unter eine so genannte Zwangsverwaltung gestellt – unter die Kontrolle einer neuen Bank, die direkt von der US-Einlagenversicherungsgesellschaft FDIC verwaltet wird. Ab diesem Zeitpunkt werden die Regulierer keine schnellen Schritte mehr machen, sondern sehr methodisch vorgehen, weil sie über einen sehr guten Handlungsplan einer Bank für solche Situationen verfügen. Dies ist sicherlich der größte Vorfall dieser Art seit Washington Mutual, einer Bank, die 2008 zusammenbrach. Aber in gewisser Weise ist die SVB noch größer. Es gibt hier sehr viele Einleger mit einer hohen Konzentration aus einer Branche. Also wird man sich bemühen, das Konkursverfahren so objektiv und schnell wie möglich durchzuführen.

Was ist der Unterschied zwischen einer behördlichen Schließung und einem vollständigen Zusammenbruch? Gibt es überhaupt eine Chance für die Silicon Valley Bank, wiederbelebt zu werden?

Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die SVB zurückkommen kann. Der einzige Weg zur Wiederbelebung wäre eine private Kapitalbeschaffung. Da im letzten Jahr aber Liquidität in Billionenhöhe aus dem System abgezogen wurde, ist die Kapitalbeschaffung derzeit weit schwieriger als einst. Es ist unwahrscheinlich, dass eine private Investorengruppe das stemmen könnte. Ich glaube, die Aufsichtsbehörden hätten auch Angst davor, die Bank wiederzubeleben, um dann bald wieder vor denselben Problemen zu stehen.

Wie werden die Vermögenswerte von Firmenkunden wie beispielsweise Schatzanweisungen, die bei der SVB gehalten werden, im Rahmen des Insolvenzverfahrens behandelt? Werden diese Firmenkunden auf diese Vermögenswerte zugreifen können oder werden sie als nicht versicherte Einlagen behandelt?

Wenn es sich um Depotkonten handelt, ist das etwas anderes als ein Verwahrkonto. Da die Konkursverwaltung in Kraft getreten ist, befindet sich alles in einer rechtlichen Schieflage. Es ist also unwahrscheinlich, dass am Montag etwas passiert, wenn die Kunden zum Beispiel Zugang zu diesen Wertpapieren haben wollen. Es mag zwar eine gewisse Bereitschaft bestehen, hinter den Kulissen daran zu arbeiten, aber ich würde vermuten, dass es vorher eine gewisse Klärung geben muss, bevor das geschieht. Ich würde nicht erwarten, dass Depotwerte in irgendeiner Weise der Zwangsverwaltung unterliegen, außer dass es ein wenig kompliziert ist, sie aus der Verwahrung zu nehmen.

Gibt es außer der SVB noch andere Banken, die gerettet werden müssen?

Diese Bank hatte eine sehr hohe Konzentration von Vermögenswerten und Wertpapieren – mehr als 50 Prozent. Das ist im Bankensektor sehr ungewöhnlich. Außerdem waren ihre Einlagen und Investitionen nicht gleichwertig finanziert. Es bestand also ein erhebliches Risiko, dass institutionelle Gelder, die in Commercial BDAs, auf dem Geldmarkt, in Einlagenzertifikaten und auf Cash-Management-Konten gebunden waren, über Nacht zu heißem Geld werden konnten.

Bisher hat der Bankensektor die steigenden Zinssätze eher als ein Zinsrisiko denn als ein Liquiditätsrisiko betrachtet. Bei ihren Stresstest-Szenarien hat die Branche den großen Block an illiquiden Wertpapieren – der unter Druck kommen würde – nicht richtig eingepreist. Es wurde einfach nicht berücksichtigt, was die Nettokosten für diese Kapitaltranchen sind, wenn man gezwungen wäre, zu verkaufen. Das bedeutet: Einige Bilanzen großer Institute sehen plötzlich signifikante Verkaufsportfolios zur Stützung der Eigenbilanz vor. Diese Daten sind öffentlich einsehbar und stellen eine ziemlich hohe prozentuale Quote in Bezug auf die Gesamtkapitalisierung dar. Das ist etwas, was man im Auge behalten sollte.

Aber einiges davon liegt auch außerhalb des Blickfelds. Hintergrund: Nicht realisierte Marktwertgewinne oder -verluste müssen bei Wertpapieren, die mit einer „Haltedauer bis zur Fälligkeit“ klassifiziert sind, nicht gemeldet werden. Dazu gibt es keine Informationen. Die einzige Möglichkeit, an diese Daten heranzukommen, ist ein Blick auf die Fälligkeit des Wertpapierportfolios. Und wenn das Wertpapierportfolio einen erheblichen Anteil an mittel- oder langfristigen Engagements aufweist, dann ist das ein klares Warnsignal!

Wachsam sollte man auch bei den Geschäften mit institutionellen Kunden sein. Dazu zählen Korrespondenzbanken für Hypotheken- oder Bankgeschäfte oder andere institutionelle Dienstleistungen wie beispielsweise Verwahrdienste. Ich glaube allerdings nicht wirklich, dass diese Banken ein vergleichbares Problem haben werden.

Zudem sollte man bei Banken, die einen bedeutenden Anteil an vermittelten Einlagenzertifikaten aufweisen, genau hinschauen. Ich gehe davon aus, dass sich die Aufsichtsbehörden jetzt sehr stark auf Liquidität und entsprechende Überprüfungen konzentrieren werden. Banken ohne angemessene Liquidität werden Anrufe erhalten und aufgefordert, dieses Problem zu lösen oder neues Kapital zu beschaffen – oder sogar beides.


Über Stephen Curry

Stephen Curry berät seit über 15 Jahren Managementteams und Vorstände von nationalen und regionalen Banken, Finanzdienstleistungsunternehmen, Start-ups und privaten Investorengruppen.


Fragen, die während der Telefonkonferenz gestellt wurden:

  • Können Sie uns zunächst einen Überblick darüber geben, was in den letzten 24 Stunden passiert ist und wo wir jetzt stehen?
  • Worin besteht der Unterschied zwischen einer behördlichen Schließung und einem vollständigen Zusammenbruch? Gibt es eine Chance für die Silicon Valley Bank, wiederbelebt zu werden?
  • Wie werden die Vermögenswerte von Firmenkunden, die sich in der Bank befinden wie beispielsweise Treasury Bills, im Rahmen des Konkursverfahrens behandelt? Und werden Firmenkunden in der Lage sein, auf diese Vermögenswerte zuzugreifen, oder werden sie als nicht versicherte Einlagen behandelt?
  • Wenn wir über die Venture-Capital-Landschaft nachdenken und darüber, wie viel Kapital sich in der Silicon Valley Bank befand: Welche Banken sind Ihrer Meinung nach in der Lage, von all diesen überschüssigen Barmitteln zu profitieren?
  • Wie sieht dieser Prozess möglicherweise aus? Wie schnell könnte das auf den Markt kommen?
  • Ist die SVB ein Einzelfall oder gibt es andere Banken, die selbst in Gefahr sein könnten, in eine ähnliche Situation zu geraten?
  • Welches sind die Indikatoren oder Warnsignale, auf die wir zu diesem Zeitpunkt besonders achten sollten – im Hinblick auf ein allgemeines Ansteckungsrisiko sowie auf potenziell längere Fristen für die Sanierung der SVB-Gläubiger im Speziellen? Welche Priorität hat die Auszahlung nicht versicherter Einlagen oder nicht versicherter Einlagen gegenüber den FHLB-Vorschüssen?
  • Wenn ein Unternehmen einen Großteil seiner Gelder bei der SVB hat: Wie kann es mit dem derzeitigen Szenario umgehen? Könnte die Fed eingreifen und der Silicon Valley Bank mit einigen ihrer Wertpapiere als Sicherheiten Liquidität verschaffen?
  • Wie stehen die Chancen, dass die Aufsichtsbehörden den sehr großen Banken eine Ausnahmegenehmigung erteilen könnten, um die Einlagenobergrenze zu umgehen?
  • Welche Aufsichtsbehörde hat in diesem Szenario die letzte Kontrolle? Ist es die FDIC oder die kalifornische Bankenaufsicht?
  • Wie beurteilen Sie die Risikoverteilung über die SVB hinaus?
  • Würden die den Einlegern von der FDIC ausgestellten Zertifikate von anderen Banken als Sicherheiten akzeptiert werden, um eine gewisse Zwischenliquidität zu erhalten?
  • Inwieweit sind Sie mit der First Republic und ihrer Geschäftstätigkeit vertraut, und wie ähnlich ist sie der Silicon Valley Bank?
  • Hat die Silicon Valley Bank die Liquiditätsanforderungen für einen Fall wie diesen erfüllt?
  • Eine gesonderte Frage zu Fintechs, die die Silicon Valley Bank für ihre Zahlungssysteme nutzen: Besteht ein Risiko in Bezug auf die Geschäftskontinuität und mögliche Verluste für diese Unternehmen?
  • Wie begründete die SVB die Tatsache, dass mehr als 50 Prozent ihrer Vermögenswerte in Wertpapieren angelegt sind?
  • Wenn Sie in diesem Szenario ein Investor wären, worauf würden Sie am meisten achten?
  • Was würden Sie den Zuhörerinnen und Zuhörern aufgrund Ihrer Erfahrung mit auf den Weg geben wollen?

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