Warum Wasserstoff nicht alle Probleme lösen kann

Warum Wasserstoff nicht alle Probleme lösen kann

Lesedauer: 5 Minuten

Wasserstoff kann saubere Energie für verschiedene Produkte liefern und ganze Branchen dekarbonisieren. Das Gas ist jedoch kein Allheilmittel: Zahlreiche Herausforderungen stehen einer breiten Einführung im Wege, darunter Kosten und fehlende Infrastruktur. Um diese Probleme zu vertiefen, hat Sam Stopps von GLG eine Telefonkonferenz mit Kris Hyde, PhD, GLG-Netzwerkmitglied und ehemaliger Technologieentwicklungsmanager bei ITM Power, veranstaltet. Im Folgenden finden Sie eine Kurzversion des Gesprächs.

Können Sie Wasserstoff und seine verschiedenen Formen vorstellen?

Wasserstoff ist ein sauberer Brennstoff, der keine Kohlenstoffemissionen erzeugt. Er ist sehr reaktionsfreudig, so dass wir ihn in der Umwelt nicht als reines Gas vorfinden – er muss also künstlich hergestellt werden.

Es gibt drei Haupttypen: Grauer Wasserstoff ist die häufigste Form von Wasserstoff. Jährlich werden davon etwa 77 Millionen Tonnen produziert, indem Erdgas aufgespalten wird. Damit ist es ein fossiler Brennstoff, bei dessen Produktion Kohlenstoffemissionen entstehen.

Blauer Wasserstoff ähnelt dem grauen Wasserstoff, das entstehende CO2 wird allerdings mittels Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) im Boden verpresst. Das macht ihn weniger umweltschädlich. Blauer Wasserstoff ist jedoch teurer in der Herstellung, und es ist fraglich, wie viel Prozent der Kohlenstoffemissionen im Boden verbleiben. Jährlich werden etwa eine Million Tonnen produziert.

Grüner Wasserstoff ist die klimafreundlichste Form, er wird praktisch aus grünem Strom und Wasser erzeugt – und ist damit aber auch die teuerste Variante. Die Produktion von grünem Wasserstoff ist in letzter Zeit aufgrund des technologischen Fortschritts und verbesserter Produkte gestiegen. Jährlich werden nur 0,1 Millionen Tonnen hergestellt.

Insgesamt ist Wasserstoff im Vergleich zu fossilen Brennstoffen noch nicht wettbewerbsfähig, kann sich aber als wichtiger Kraftstoff etablieren.

Welche Hindernisse stehen einer kommerziellen Nutzung von grünem Wasserstoff im Wege? 

Die Kosten der Elektrolyse sind ein Haupthindernis für die breite Akzeptanz von Wasserstoff als Kraftstoff. Der Prozess bedarf viel Strom, der in den letzten Jahren deutlich teurer geworden ist. Ein weiteres Hindernis ist die fehlende Infrastruktur. Es gibt nicht genügend Wasserstofftankstellen und es fehlen Pipelines für den Transport von Wasserstoff.

Die Produktionskosten können allerdings gesenkt werden, indem man die Effizienz der Elektrolyse verbessert und erneuerbare Energiequellen für den Betrieb der Elektrolyse einsetzt. Regierungen und private Unternehmen müssten wiederum Interesse am Aufbau einer Infrastruktur für die Wasserstoffproduktion und -verteilung haben. Und dann bestehen hin und wieder Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Wasserstoff. Die müssten durch neue Technologien und durch Aufklärung der Öffentlichkeit ausgeräumt werden.

Wenn diese Punkte bewältigt werden, kann grüner Wasserstoff in Zukunft ein wichtiger Kraftstoff werden. Er ist sauber, vielseitig und reichlich vorhanden. Und er könnte dazu beitragen, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern.

In welchen Wirtschaftszweigen wird Wasserstoff bereits als Alternative zu fossilen Brennstoffen eingesetzt und wie verlaufen diese Projekte?

Es gibt sicherlich keine Industrie oder Branche, die von vornherein gesagt hat: „Okay, grüner Wasserstoff ist die richtige Richtung für uns.” Aber mehrere Branchen nutzen ihn, trotz der höheren Produktionskosten, der fehlenden Infrastruktur und der Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit Wasserstoff. Viele Projekte werden zu Demonstrationszwecken durchgeführt, um zu zeigen, wie Wasserstoff zum Betanken von Autos, Bussen, Lastwagen und Zügen verwendet werden kann. In der Industrie wird Wasserstoff für die Ammoniakproduktion verwendet und es gibt einige Großaufträge aus diesem Bereich.

Auch die Stahlproduktion und die Ölraffinerie nutzen ihn. Die Ölraffinerien verfolgen das Ziel der Dekarbonisierung, und insbesondere grüner Wasserstoff ist dabei nützlich. Und dann gibt es noch Optionen wie die Verwendung von Wasserstoff als direkter Ersatz für Erdgas. Dabei handelt es sich aber meist um kleine Demonstrationsprojekte.

Sollte Wasserstoff zum Heizen von Häusern verwendet werden, auch wenn es Alternativen wie Wärmepumpen gibt?

Vorab: Wasserstoff kann zum Heizen grundsätzlich genutzt werden. Es kann mit Erdgas gemischt und in bestehenden Gasheizkesseln verwendet werden, aber die Infrastruktur für den Transport und die Verteilung von Wasserstoff ist noch nicht vorhanden.

Wärmepumpen punkten an diesen Stellen, erfordern jedoch bestimmte Voraussetzungen, zum Beispiel eine Flächenheizung, um effizient zu arbeiten. Und das Stromnetz muss in der Lage sein, die erhöhte Stromnachfrage von Wärmepumpen zu decken. Generell gilt: Sowohl Wärmepumpen als auch Wasserstoff haben das Potenzial, die Kohlendioxidemissionen von Heizungen zu verringern.

Welche Sektoren könnten Wasserstoff als nächste einsetzen? Sehen Sie ein Interesse im Verkehrsbereich?

Wasserstoff ist ein vielversprechender Kraftstoff für den Verkehr, aber er ist derzeit teurer als Batterien. Dennoch eignet sich Wasserstoff für größere Fahrzeuge wie Busse und Lkw. Viele Städte führen Luftreinhaltungszonen ein, in denen große Dieselfahrzeuge einfach nicht mehr fahren dürfen – eine Chance für Wasserstoff. Züge können ebenfalls Wasserstoff nutzen. Vielfach fahren sie mit großen Dieselmotoren innerhalb von Städten mit Luftreinhaltungszonen. Da steigt der Druck, etwas zu unternehmen. Elektrisch betriebene Züge sind eine Option, aber die Kosten für die Elektrifizierung von Bahnstrecken sind verrückt hoch. Es gibt also einen Markt für Wasserstoffzüge. Wasserstoff ist auch ein potenzieller Kraftstoff für die Schifffahrt, insbesondere wenn er verflüssigt wird. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) führt derzeit CO2-Reduktionsziele ein.


Über Dr. Kris Hyde:

Dr. Kris Hyde ist eine der führenden britischen Koryphäen auf dem Wasserstoffmarkt und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Dr. Hyde ist Direktor bei Hollingworth Design, Berater des European Marine Energy Centre (EMEC) und Direktor seines Beratungsunternehmens, HYDErogen. Zuvor war Dr. Hyde Technologieentwicklungsleiter bei ITM Power. In dieser Funktion arbeitete er daran, von ITM neu entwickelte Membranen und Zellen zunächst in Demonstrationsanlagen für Brennstoffzellen und Elektrolyseure und dann in Produkte für den Markt umzusetzen.


Dieser Artikel basiert auf der GLG Telekonferenz „Hydrogen: Demand and Applications in 2023″. Wenn Sie Zugang wünschen oder mit Experten wie Kris Hyde oder einem unserer rund eine Million Branchenexperten sprechen möchten, kontaktieren Sie uns.


Fragen, die während der Telekonferenz gestellt wurden:

  • Können Sie zu Beginn eine Einführung in Wasserstoff und seine verschiedenen Formen geben, einschließlich blauem, grauem und grünem Wasserstoff?
  • Können Sie näher auf die weltweiten Produktionsraten für blauen, grauen und grünen Wasserstoff eingehen?
  • Können Sie die Hindernisse erörtern, die einer kommerziellen Nutzung von grünem Wasserstoff entgegenstehen, und erläutern, ob die derzeitige Energiepreiskrise in Europa dieses Problem noch verschärft hat?
  • Können Sie erörtern, in welchen Wirtschaftszweigen Wasserstoff bereits als Alternative zu fossilen Brennstoffen eingesetzt wird, z. B. in der Stahlindustrie, und wie diese Projekte derzeit verlaufen?
  • Können Sie Ihre Ansichten darlegen und sagen, ob Sie der Meinung sind, dass Wasserstoff unter bestimmten Umständen zum Heizen von Häusern verwendet werden sollte, oder ob dies keine sinnvolle Verwendung von Wasserstoff ist, wenn es Alternativen, wie z. B. Wärmepumpen, gibt?
  • Können Sie etwas ausführlicher auf die verschiedenen Arten von Wasserstoff-Elektrolyse-Technologien eingehen?
  • Welches sind Ihrer Meinung nach die nächsten Sektoren, die Wasserstoff in Zukunft einsetzen könnten? Und sehen Sie ein Interesse an der Verwendung von Wasserstoff im Verkehrswesen, z. B. in Zügen oder in der Luft- und Raumfahrt?
  • Haben Sie irgendwelche abschließenden Bemerkungen oder Gedanken für unsere Teilnehmer?

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