CCS-Update: Wie steht es um die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung?

CCS-Update: Wie steht es um die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung?

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Pro Jahr werden weltweit etwa 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) abgeschieden und gespeichert. Der Ansatz wird als Carbon Capture and Storage (CCS) bezeichnet. Der überwiegende Teil davon – nach Schätzungen des Global CCS Institutes etwa 95 bis 98 Prozent – wird entweder sofort in geologischen Lagerstätten bis zu zwei Kilometer unter der Erdoberfläche gelagert oder in einem Zwischenschritt zunächst für die verbesserte Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery, EOR) verwendet und dann dauerhaft gelagert. Der kleine Rest des abgeschiedenen CO2 ist für eine weitere Nutzung vorgesehen, wobei der größte Teil zur Herstellung von Harnstoff für die Düngemittelproduktion verwendet wird.

Von den aktuell laufenden CCS-Projekten setzen neun auf die direkte geologische Speicherung und 21 auf EOR. Darüber hinaus sind 170 CCS-Projekten weltweit in der Entwicklung. Hier ist das Verhältnis umgekehrt: Etwa drei Viertel basieren auf geologischer Speicherung und nicht auf EOR. Das ist vor allem auf die politischen Anreize in Nordamerika und Europa zurückzuführen, wo etwa 90 Prozent der weltweiten Projekte angesiedelt sind.

2015 und 2016 verzeichneten die weltweiten CCS-Aktivitäten einen Rückgang. Die Ursachen: Erneuerbare Energien traten zur Dekarbonisierung des Energiesektors stärker in den Vordergrund, und die Nutzung von CO2 für die Ölförderung erschien nicht mehr so wirtschaftlich. Mehrere Entwicklungen verbessern nun jedoch die langfristigen Aussichten für CCS.

Treiber für Kohlenstoffabscheidung und -speicherung

Die Zunahme der CCS-Aktivitäten liegt zum Teil an der Politik der Regierungen in den Industrieländern. Immer mehr Menschen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor sind der Ansicht, dass CCS eine entscheidende Rolle bei der Erreichung des Ziels von Netto-Null-Emissionen spielen sollte.

Ein zweiter wichtiger Faktor ist die jüngste Entwicklung von CCS-Netzwerken, die auf der Bereitstellung von Transport- und Speicherdienstleistungen durch Dritte basieren. Je mehr Industrieunternehmen, Energieerzeuger und Wasserstoffhersteller sich nur auf den Teil der CCS-Lieferkette konzentrieren müssen, desto mehr werden sich wahrscheinlich an den gesamten CCS-Bemühungen beteiligen. Zudem hat das Vereinigte Königreich kürzlich angekündigt, dass es 20 Milliarden Pfund zusätzlich für die Unterstützung von CCS-Netzen bereitstellen wird – eine ermutigende Botschaft für CCS.

Ein dritter Treiber ist die verstärkte Nutzung von Wasserstoff, der auf zwei Arten kommerziell hergestellt werden kann. Sogenannter „grüner” Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus erneuerbarem Strom hergestellt, eine relativ neue und derzeit teure Technologie. Umso wichtiger ist deshalb „blauer“ Wasserstoff, der aus Erdgas gewonnenen wird – samt CO2-Emissionen, die abgeschieden und gespeichert werden müssen, damit der Wasserstoff als kohlenstoffarm gilt. Für Unternehmen, die an der Herstellung von blauem Wasserstoff interessiert sind, sehen die potenziellen Renditen kurz- bis mittelfristig sehr attraktiv aus.

Zwei weitere Triebkräfte sind die direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft – derzeit zwar noch vergleichsweise teuer, künftig aber aufgrund der zu erwartenden Skalierung vermutlich eine wettbewerbsfähige Technologie mit weitreichenden und robusteren Wertschöpfungsketten.

Realistischer Optimismus für CCS

Während es zweifellos Gründe für Optimismus gibt, muss man auch realistisch sein: Die Zahl der CCS-Projekte müsste sich um das 100- bis 200-fache erhöhen, um die Kohlenstoffreduktionsziele zu erreichen. Das größte Hindernis für eine stärkere Verbreitung von CCS liegt nicht in der Technologie selbst begründet. Die Kerntechnologie von CCS, die Gasabscheidung, ist ein grundlegender, fast 100 Jahre alter Prozess auf chemischer Basis, bei dem Amine durch das Gas geleitet werden und sich an CO2-Moleküle anlagern. Es gilt jedoch: je höher die CO2-Konzentration, desto niedriger die Kosten für die Extraktion. Das damit verbundene große Problem von CCS ist die Skalierung der Technologie. Es handelt es sich also um eine Frage der Wirtschaftlichkeit, nicht um eine technische Herausforderung.

Derzeit können die Kosten für CCS – je nach CO2-Konzentration und Entfernung zur Speicherstätte – von nur 30 US-Dollar pro Tonne für einige industrielle Prozesse bis zu 700 US-Dollar pro Tonne für die direkte Abscheidung aus der Luft reichen. Legt man durchschnittliche Kosten von etwa 300 US-Dollar pro Tonne für alle Anwendungen zugrunde – einem Wert, der die Kapital- und Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer einer Anlage berücksichtigt, stellt sich die Frage, wie das wirtschaftlich gerechtfertigt werden kann. Die Antwort hängt stark davon ab, ob es politische Anreize in Form von „Zuckerbrot oder Peitsche“ geben wird.

Europa bevorzugt weitgehend den Ansatz der Peitsche: durch Emissionshandelssysteme (ETS) oder Besteuerung. Investitionen in CCS könnten die CO2-bedingten Kosten reduzieren oder sogar eliminieren. Die USA hingegen bevorzugen den Zuckerbrot-Ansatz, indem sie Steuererleichterungen oder Direktzahlungen nutzen, um Investitionen in kohlenstoffarme Technologien einschließlich CCS zu fördern. Beide Politikansätze funktionieren. Ihre Fortsetzung ist der Grund dafür, dass Nordamerika, die EU und das Vereinigte Königreich wahrscheinlich auch weiterhin führend im Bereich CCS sein werden. Ich bin seit mehreren Jahrzehnten in diesem Bereich tätig und kann mich an keine Zeit erinnern, in der die Aussichten für CCS so rosig waren wie heute.


Über Angus Gillespie

Angus Gillespie betreibt sein eigenes Beratungsunternehmen, Edzell Climate Economics, das sich auf Fragen des Kohlenstoffmanagements und der erneuerbaren Energien spezialisiert hat. Zuvor arbeitete er für das Global CCS Institute und hatte mehrere Führungspositionen bei Shell inne, zuletzt als Vice President CO2, wo er mit dem Führungsteam an der Entwicklung und Einführung einer Reihe von CO2-Initiativen arbeitete und die CCS-Strategie und das Investitionsprogramm des Unternehmens überwachte. Zuvor war er Vice President, CO2 Strategy, und Vice President, Strategy & Portfolio, Future Fuels & CO2.

Dieser Artikel basiert auf der GLG Telekonferenz „Carbon Capture, Utilization, and Storage – Key Projects and Industry Implementation”. Wenn Sie Zugang wünschen oder mit Experten wie Angus Gillespie bzw. einem unserer mehr als 1 Million Branchenexperten sprechen möchten, kontaktieren Sie uns bitte.


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